In Vino Veritas |
Cornelia Lösch |
Wie süß das Mondlicht vor den Fenstern steht! |
Und fest verschlossen sind schon alle Türen. |
Im Ofen bricht bereits das letzte Holz |
und Kerzen flackern leis im fahlen Licht. |
Mein lieber Freund, ich bring uns roten Wein, |
der schon seit Jahren hier im Keller schläft. |
Die alte Kinderfrau schon lange schläft. |
Es ächzt ihr Bett, das in der Kammer steht. |
Sie trunken wurd' vom süßen Wermutwein. |
So lauscht sie nicht an ihr verbot'nen Türen. |
Ich sah an ihrer Schwelle schon kein Licht |
und hör sie sägen schwer an hartem Holz. |
Ach, lieber Freund, leg nach noch etwas Holz! |
Sieh doch, wie glimmend schon das Feuer schläft! |
Gezähmt verleiht es Wärme und auch Licht. |
Schau an den Leuchter, wie er ruhig steht! |
Doch wenn du öffnetest ihm jetzt die Türen, |
im Dunkeln säßen wir mit unserm Wein! |
Ein wahrlich edler Tropfen, dieser Wein, |
gereift vor Jahren schon in Eichenholz |
in alten Kellern mit verschloss'nen Türen, |
wo er allein gelassen selig schläft. |
Und wie die staub'ge Flasche vor uns steht, |
so leuchtet er im sanften Kerzenlicht. |
Mein lieber Freund, ich lösche jetzt das Licht! |
Pulsiert in unsern Adern schon der Wein. |
Wie großartig die Leidenschaft dir steht. |
Die Muskeln fest, geschnitzt aus edlem Holz! |
Wir sind allein, du weißt, die Alte schläft |
und schnarcht lautselig hinter ihren Türen. |
Mein lieber Freund, du pochst an meinen Türen! |
Entfachst in mir jungfräulich schlummernd Licht, |
das tief im Schoße meiner Unschuld schläft. |
Mir wird so schwül, ich glaub, das ist der Wein. |
Ich geb mich hin, als wär ich biegsam Holz, |
das willenlos im wilden Sturme steht. |
Drum, steht vor deiner Türen bald ein Mann, |
geschnitzt aus edlem Holz, im Abendlicht, |
kredenz ihm Wein, auf dass er bei dir – schläft! |